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Bericht einer Referentin für weibliche Erziehung
Amt Hess: Aufhebung der Aufnahmesperre
Mitteilung der Aufhebung der Aufnahmesperre
Reichsstatthalter Hamburg an Erziehungminister
Gestapo: Einsatz der Lehrer in Verwaltungsaufgaben
Offiziell beendete die Freie Goethe-Schule ihre Tätigkeit zu Ostern 1940 durch Selbstauflösung.
Hans Pohlmann sah sich zum Verkauf an die Stadt gezwungen, da er Schulgrundstück und Gebäude ohne jede Aussicht auf Wiedereröffnung der Schule nicht länger halten konnte. Manche der Lehrer führten nun Waldorfunterricht
unter erheblicher Gefährdung durch Denunziation in privaten Hausbesuchen fort.
Lehrer bei Selbstauflösung der Schule 1940: Otto Altemüller, Hedwig Diestel, Karl Froebe, Fräulein Dr. Barg, Arthur Fuchs, Lucie Kralemann, Elisabeth Kübler, Dr. Friedrich Kübler, Dr. Hildegard Meyer, Heinz Müller,
Ilse Prieß-Kändler, Adolf Rolofs, Eberhard Schiller, Dr. Hermann Schüler, Olga Schwandt, Roberto Sobeczko, Martha Somann, Dietrich Steinmann, Senta Uebelacker.
Noch war 1939 nicht bei jedermann Vertrauen in Recht und Staat erschüttert. Ganz im Gegenteil war das Ansehen Hitlers durch Übergehen des Versailler-Vertrages und durch die Gebietsannexionen so gestärkt, dass ein Ende seiner
Regierung unabsehbar schien. Dr. Klein und Dr. Kübler konnten nach dem Eingreifen durch Hess auf dauerhafte Unterstützung für ihre Schulen hoffen.
Fragt man heute, wie ein Neubeginn der Waldorfschule nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hätte geschehen können, wenn Schulbehörde und Geheime Staatspolizei das Fortbestehen der Freien Goethe-Schule nicht hintertrieben hätten?
Als von Hess und Bormann geförderter nationalsozialistischer Versuchsschule wäre wohl nach der Niederwerfung der nationalsozialistischen Regierung einem Neubeginn entschiedener Einwand begegnet!
An der Durchführung der Verfolgung der Juden war Hess aktiv beteiligt. Nach der Besetzung Polens sorgte er für strickte Trennung von Deutschen und Einheimischen durch Einsetzung rassich begründeten Sonderrechtes. Fragen wie
Waldorfpädagogik hätten da keinen Platz mehr gehabt.
Und sein Englandflug hätte weiterer Unterstützung das Ende gesetzt.
Von seinem Nachfolger Martin Bormann wäre jede Waldorfschule geschlossen worden, nachden er Hitlers Beurteilungung der Anthroposophen erfahren hatte.
Hitlers Beurteilung der Anthroposophen
aus: Uwe Werner: Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus, S. 262 ff:
Letztlich entscheidend wurde jedoch erst die Stellungnahme, die Martin Bormann im Juli 1939 bei Hitler erreichte. Bormann konnte die Tatsache zum Anlass nehmen, dass Almar von Wistinghausen, ein Vertreter der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise,
sich über den Adjutanten der Luftwaffe, Hauptmann von Below, an Hitler gewandt hatte, weil seine Aufnahme in den Beurlaubtenstand der Offiziere wegen seiner Mitgliedschaft bei der Anthroposophischen Gesellschaft abgelehnt worden war. Bormann
teilte daraufhin die folgende Äußerung Hitlers Anfang Juli 1939 Heydrich folgendermaßen mit:
"Ein Volksgenosse, der wegen Zugehörigkeit zur Anthroposophischen Gesellschaft als Offizier des Beurlaubtenstandes abgelehnt worden war, hatte sich an den Führer gewandt. Der Führer hat daraufhin folgende Entscheidung getroffen:
Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft sind wie Logen-Angehörge zu behandeln: sie sind nach Meinung des Führers oft noch gefährlicher als Logen-Angehörige, weil sie mit ihren Ideen viel mehr Leute anstecken. Wenn ein
Straßenkehrer Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft gewesen sei, dann spiele das auch heute keine Rolle; in der Partei oder in der Wehrmacht wolle der Führer dagegen frühere Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft nicht haben.
Bei dem Charakter der aufgelösten Theosophischen Gesellschaft kann diese Führer-Entscheidung auch auf die ehemaligen Angehörigen der Theosophischen Gesellschaft angewendet werden.
Ein gleichlautendes Schreiben haben das Oberste Parteigericht und der Herr Reichsschatzminister erhalten.
(NSDAP, Stab des Stellvertreters des Führers an den Reichsführer SS, Chef des Sicherheitshauptamtes: gez: M. Bormann vom 7. Juli 1939. Vgl. auch Bormann an Amt Rosenberg vom 31. Juli 1939. Archiv Bund der Waldorfschulen 7.1.059.
Veröffentlicht in A. Wagner, Beiträge, NS-Dokumentation, Bd. 1, Rendsburg, 1991, S. 74.)
Die Schließung der Freien Goethe-Schule Wandsbek Ostern 1940
aus: Uwe Werner: Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus, Oldenbourg Verlag, München 1999, S. 228- 230,
mit freundlicher Genehmigung des Oldenbourg Verlages
Bei der Wandsbeker Schule nahm der Weg zur Schließung einen etwas anderen Verlauf. Zunächst wurde die Schule gar nicht über die am 14. April 1938 entschiedene Aufhebung der Aufnahmesperre informiert. Während die Dresdner Schule
Bescheid bekam und wieder Schüler aufnahm, blieb das Wandsbeker Kollegium weiter im Ungewissen. Die Erklärung dafür findet sich in den Akten des Erziehungsministeriums: Die Hamburger Schulverwaltung, unterstützt vom dortigen
Reichsstadthalter, verlangte weiter die Schließung der Schule, um deren Räumlichkeiten selbst zu nutzen, und weigerte sich, die Schule von der Aufhebung der Sperre zu unterrichten.
Im Herbst übernahm Ministerialdirektor Holfelder im Reichserziehungsministerium die sachliche Zuständigkeit für diese Fragen. Als er sich im Herbst 1938 in diese Materie neu einarbeitete, entwickelte er durch Elisabeth Klein Interesse
für die Waldorfschule. Rust schickte ihn nach Wandsbek. Die dortige Schulverwaltung mußte nachgeben.122 Rust forderte sie auf, "diejenigen Lehrkräfte namhaft zu machen, die nach nationalsozialistischen
Grundsätzen für die Weiterbeschäftigung in dieser Schule in Frage kommen."123 Im Frühjahr 1939 endlich wurde die Schule über die Beendigung der Aufnahmesperre informiert.124
Die weiteren Vorgänge, die notgedrungen zur Selbstschließung führen mußten, wurden den Freunden der Schule kurz vor der unvermeidlich gewordenen Schließung im März 1940 mitgeteilt.
"〈 . . . 〉 Wie bekannt, erhielt die Leitung der Freien Goethe-Schule am 29. September 1939 einen Brief der Landesunterrichtsbehörde, der uns unter Überschrift "Schließung der Schule" mitteilte, der Herr
Reichsminister habe entschieden, dass alle privaten allgemeinbildenden Schulen am 30.9.39 ihre Pforten schließen. Am 7. Oktober 1939 wurde uns von der Schulverwaltung mitgeteilt, daß das Schreiben vom 28.9.39 gegenstandslos geworden sei
und hierdurch ausdrücklich zurückgenommen werde. Auf Grund der Einberufung aller Lehrer zum Hilfsdienst im Haupternährungsamt sei die Schule jedoch praktisch geschlossen. Umdeswillen werde die Schulverwaltung die Einschulung der
schulpflichtigen Kinder in die öffentlichen Schulen veranlassen. Dieses geschah dann am 13. Oktober 1939. Seitdem haben wir uns die erdenklichste Mühe gegeben, zumal der Hilfsdienst am 24. November endete; die Situation zu klären und
eine Entscheidung über das
Schicksal der Schule, dessen grundsätzliche Regelung erneut Gegenstand einer Prüfung im Ministerium geworden ist, herbeizuführen. Es ist uns bis heute nicht gelungen〈. . . 〉. Wir legen unsere Arbeit nieder in dem Bewußtsein,
daß wir alles getan haben, was in unseren Kräften stand, um Ihren Kindern die Schule, und was in ihr gewirkt werden konnte, zu erhalten 〈. . .〉.125
Diese Einzelheiten verdeutlichen, wie die Hamburger Schulbehörden durch Schikanen - anders kann man es nicht nennen - die Schule zur Auflösung trieben. Man muß dazu wissen, daß die Vorschriften für den Arbeitsdienst
selbstverständlich nicht vorsahen, daß alle Mitarbeiter eines Betriebes eingezogen werden sollten. Letztlich zeigte sich, daß die Aktion vermutlich von Himmler veranlaßt worden war: "Die Einstellung der Betriebes der
Freien Goethe-Schule wurde jedoch dadurch herbeigeführt, daß alle Lehrer der Schule auf Veranlassung der Reichsführers SS beim Ernährungsdienst dienstverpflichtet wurden 〈. . .〉."126
Der Kriegsausbruch hatte also für die beiden übriggebliebenen Waldorfschulen unterschiedliche Auswirkungen.: Während die Hamburger Behörden die Schule über den Arbeitsdienst ihrer Lehrer beraubte und zur Schließung
trieben, vermieden die sächsischen Behörden die Ausarbeitung des fragwürdigen und hinderlichen Konzepts einer Versuchsschule und sicherten damit - ungewollt - der Dresdner Rudolf Steiner Schule bis zur Gestapo-Aktion im Juni 1941
eine relativ ungestörte Arbeit im inneren Schulbetrieb.